Sprechstunden/ Spezialsprechstunden am MGZ
Hochrisikogene BRCA1 und BRCA2
Diagnostik über folgende genetische Analyse(n)/Panel möglich
Klinische Symptomatik
Etwa 3-4 % aller Brustkrebserkrankungen sind Folge einer genetischen Veränderung in den Genen BRCA1 oder BRCA2 (Apostolou P, Fostira F. Hereditary breast cancer: the era of new susceptibility genes. Biomed Res Int. 2013;2013:747318. doi: 10.1155/2013/747318. Epub 2013 Mar 21.). Beide Gene gehören zur Gruppe der Tumorsuppressor-Gene und sind an DNA-Reparaturmechanismen beteiligt. Das durch eine Veränderung in den BRCA-Genen verursachte Krankheitsbild wird im deutschen Sprachraum als „erblicher Brust- und Eierstockkrebs“ bezeichnet (engl. Hereditary Breast and Ovarian Cancer, HBOC). Sowohl eine auffällige Familienanamnese als auch charakteristische histopathologische Befunde (z.B. triple-negative Mammakarzinome, seröse high-grade Ovarialkarzinome) können auf eine erblich bedingte Tumorerkrankung hinweisen (S3-Leitlinie Mammakarzinom Version 4.4).
Die Anlageträgerfrequenz für eine krankheitsverursachende (pathogene) genetische Veränderung (Variante) in BRCA1 oder BRCA2 liegt in unserer Bevölkerung bei ca. 1:400 (BRCA Gene Mutations: Cancer Risk and Genetic Testing, Website des National Cancer Institute).
Klinische Symptomatik
Typisch für das HBOC sind:
- eine familiäre Häufung BRCA-assoziierter Tumore (insbesondere Brust- und Eierstockkrebs)
- ein ungewöhnlich junges Erkrankungsalter gegenüber der Allgemeinbevölkerung
- ein hohes Risiko für Zweitkarzinome
Neben der Risikoerhöhung für Tumorerkrankungen der Brust und Eierstöcke, ist auch ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung etwas erhöhtes Risiko für Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs beschrieben (siehe Tabelle). Für letzteres gilt dies insbesondere für solche Familien, in denen Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse vorkommen.
Krebsart | Risiko Allgemeinbevölkerung1 | BRCA1 | BRCA2 |
Brustkrebs ♀ | 12,4 % | 55-72 %2 | 45-69 %2 |
Eierstockkrebs | 1,3 % | 39-44 % | 11-17 %2 |
Brustkrebs ♂ | 0,1 % | 1-3 %3 | 3-12 %3 |
Prostatakrebs | 12,1 % | 7-26 %4 | 19-61 %4 |
Bauchspeicheldrüsenkrebs | 1,8 % | 2 %5 | 5-10 %5 |
Quellen:
1Krebs in Deutschland für 2017/2018. 13. Ausgabe. Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg). Berlin, 2021
2BRCA Gene Mutations: Cancer Risk and Genetic Testing, Website des National Cancer Institute
3Tai YC et al., Breast cancer risk among male BRCA1 and BRCA2 mutation carriers. Journal of the National Cancer Institute 2007; 99(23):1811–1814.
4 Lecarpentier J et al., Prediction of Breast and Prostate Cancer Risks in Male BRCA1 and BRCA2 Mutation Carriers Using Polygenic Risk Scores. J Clin Oncol. 2017 Jul 10;35(20):2240-2250.
5 S3-Leitlinie Pankreaskarzinom Version 2.0, 12/2021
Die Inzidenz für Brust- und Eierstockkrebs ist auch bei Frauen mit pathogenen Varianten in BRCA1/2 altersabhängig. Bei pathogenen Varianten in BRCA1 wird das Risiko bis zum Alter von 80 Jahren an Brustkrebs zu erkranken auf ca. 72% geschätzt. Das Risiko steigt bereits ab dem 25. Lebensjahr an, sodass Frauen ab diesem Alter gemäß der S3-Leitlinie eine intensivierte Früherkennung empfohlen wird. Das Risiko bis zum 80. Lebensjahr an Eierstockkrebs zu erkranken, liegt bei ca. 44% und steigt ab dem ca. 40 Lebensjahr an, sodass man ab diesem Alter die Möglichkeit einer prophylaktischen Entfernung der Eierstöcke in Betracht ziehen sollte. Zudem haben Frauen mit pathogenen Varianten in BRCA1 das höchste Risiko für unabhängige Zweittumore (30 % innerhalb von 15 Jahren nach dem Ersttumor). Bei pathogenen Varianten in BRCA2 wird das Risiko bis zum Alter von 80 Jahren an Brustkrebs zu erkranken auf ca. 69 % geschätzt. Auch hier steigt das Risiko bereits ab dem 25. Lebensjahr an, sodass Frauen ab diesem Alter gemäß S3-Leitlinie eine intensivierte Früherkennung empfohlen wird. Das Risiko bis zum 80. Lebensjahr an Eierstockkrebs zu erkranken liegt bei ca. 17 %, sodass man ebenfalls die Möglichkeit einer prophylaktischen Entfernung der Eierstöcke in Betracht ziehen sollte (Kuchenbaecker KB et al., Risks of Breast, Ovarian, and Contralateral Breast Cancer for BRCA1 and BRCA2 Mutation Carriers. JAMA. 2017 Jun 20;317(23):2402-2416.)
Männer mit einer pathogenen Variante in BRCA1/2 haben ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhtes Risiko für Prostatakrebs (siehe Tabelle oben) und sollten bereits ab dem 40. Lebensjahr an dem Prostatakarzinom-Screening teilnehmen. Darüber hinaus haben Männer mit einer pathogenen Variante in BRCA2 ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Risiko an Brustkrebs zu erkranken (ca. 3-12 %). Bei Männern mit einer pathogenen Variante in BRCA1 liegt das Brustkrebsrisiko bei ca. 1-3 % (siehe Tabelle oben).
Jedoch ist zu beachten, dass Männer mit einer pathogenen Variante in BRCA1/2 häufig nicht an einem Tumor erkranken. Aufgrund dessen lassen der Stammbaum und die Familienanamnese alleine oft keine eindeutigen Rückschlüsse bezüglich einer erblich bedingten Brust- und Eierstockkrebserkrankung zu.
Ausführliche Informationen zu klinischer Symptomatik, Erkrankungswahrscheinlichkeiten und Früherkennungs-Empfehlungen finden Sie in den Fachinformationen FAKTEN ZU BRCA1 UND BRCA2.
Indikation für eine molekulargenetische Untersuchung von BRCA1 und BRCA2
Gemäß der Einschlusskriterien (entsprechend dem Deutschen Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs), sollte dann eine genetische Untersuchung angeboten werden, wenn eine familiäre bzw. individuelle Belastung vorliegt, die mit einer mindestens 10 %-igen Wahrscheinlichkeit für den Nachweis einer Variante einhergeht.
Mindestens eines der folgenden Kriterien muss in einer Linie der Familie erfüllt sein (vgl. S3-Leitlinie Mammakarzinom Version 4.4, 2021):
- mindestens 3 Frauen sind an Brustkrebs erkrankt, unabhängig vom Alter
- mindestens 2 Frauen sind an Brustkrebs erkrankt, davon eine vor dem 51. Geburtstag
- mindestens 1 Frau ist an Brustkrebs und 1 Frau an Eierstockkrebs erkrankt
- mindestens 2 Frauen sind an Eierstockkrebs erkrankt
- mindestens 1 Frau ist an Brust- und Eierstockkrebs erkrankt
- mindestens 1 Frau ist mit 35 Jahren oder jünger an Brustkrebs erkrankt
- mindestens 1 Frau ist mit 50 Jahren oder jünger an bilateralem Brustkrebs erkrankt
- mindestens 1 Mann ist an Brustkrebs und eine Frau an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankt
Weitere empfohlene Kriterien (gemäß AGO-Richtlinien Version 2022):
- eigene Erkrankung mit einem triple-negativen Brustkrebs mit einem Erkrankungsalter ≤ 60 Jahre
- eigene Erkrankung mit Eierstockkrebs
- bei therapeutischer Relevanz (e.g. PARP-Inhibitoren)
Bei Familien, die die oben genannten Kriterien erfüllen, lässt sich in ca. 25% der Fälle eine krankheitsverursachende Variante in BRCA1 oder BRCA2 nachweisen (Quante AS et al. Umstrukturierung der Risikoberechnung für die intensivierte Früherkennung im Deutschen Konsortium für Brust- und Eierstockkrebs. Gynäkologe 53, 259–264 (2020). Eine molekulargenetische Untersuchung von BRCA1 und BRCA2 sollte im Rahmen einer humangenetischen Beratung durch einen Facharzt für Humangenetik erfolgen.
Eilige-Analyse bei Therapierelevanz
Bei Planung einer neoadjuvanten Chemotherapie in Abhängigkeit vom BRCA1/BRCA2-Status bieten wir optional eine beschleunigte molekulargenetische Untersuchung mit einer verkürzten Untersuchungsdauer von ca. 2 Wochen an.
Falls dies gewünscht sein sollte, bitten wir Sie auf unserem Anforderungsformular das Kästchen „EILIG“ anzukreuzen.
Genetische Diagnostik
Eine molekulargenetische Untersuchung sollte im Idealfall immer zuerst an einer Person erfolgen, die an einem Tumor aus dem BRCA1/2-Spektrum erkrankt ist (sogenannte „Indexperson“). Die weitgehende Beschränkung der molekulargenetischen Untersuchung auf erkrankte Personen wird darin begründet, dass die Aussagekraft negativer Ergebnisse bei Nichterkrankten deutlich geringer ist. Falls dies nicht möglich sein sollte, kann im Einzelfall eine Untersuchung von gesunden Angehörigen erfolgen, wenn klinisch ein dringender Verdacht auf eine erbliche Brust- und Eierstockkrebserkrankung in der Familie besteht. Die Frage, ob eine Veränderung in BRCA1/2 in der Familie ggf. krankheitsverursachend sein könnte, kann dabei nicht beantwortet werden. Daher bedeutet ein unauffälliges Testergebnis bei einer nichterkrankten Person keinen Risikoausschluss, sondern lediglich eine Risikoreduktion für die getestete Person und deren Nachkommen. Für weitere Familienangehörige (beispielsweise Geschwister der getesteten Person) lassen sich durch das Ergebnis hingegen keine Risikoeinschätzungen ableiten.