Sprechstunden/ Spezialsprechstunden am MGZ
Juvenile Polyposis coli
Diagnostik über folgende genetische Analyse(n)/Panel möglich
Klinische Symptomatik
Die Bezeichnung Juvenile Polyposis coli (JPS) bezieht sich nicht so sehr auf das Alter, als mehr auf die Histologie bezüglich der Entwicklung von hamartomatösen Polypen im Gastrointestinaltrakt.
Hierbei können sowohl der Magen, der Dünndarm, das Kolon und das Rektum betroffen sein. Die Erkrankung kann einen sehr variablen Verlauf nehmen, es kann bereits im Kindesalter zum Auftreten von einer Vielzahl von Polypen kommen, andererseits können im Erwachsenenalter nur eine geringe Anzahl einzelner Polypen vorliegen. Durchschnittlich zeigen die meisten betroffenen Patienten im Alter von 20 Jahren zumindest einige Polypen.
Wenn die Polypen nicht erkannt werden, können Blutungen auftreten, die dann in der Folge meist in einer Anämie, Hypoproteinämie und einer damit verbundenen Entwicklungsverzögerung der Kinder resultieren.
Die Juvenile Polyposis coli wird als grundsätzlich gutartig eingestuft, eine Reihe unterschiedlicher Studien zeigt über die Jahre jedoch ein Karzinomrisiko von 9-50 %. In der Literatur wird angegeben, dass es sich hierbei häufig um eine adenomatöse Transformation der Polypen handelt, die dann in der Folge zu einem Adenokarzinom führt. Das höchste Karzinomrisiko bezieht sich auf den Dickdarm, grundsätzlich können aber auch Karzinomerkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes und des Pankreas auftreten.
Die Behandlung der Erkrankung erfolgt in der Regel konservativ, nur in seltenen Fällen ist ein operatives Vorgehen notwendig. Bei der Vorsorge sollte grundsätzlich der gesamte Gastrointestinaltrakt berücksichtigt werden.
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Mehr als fünf juvenile Polypen im Kolorektum oder
- Multiple juvenile Polypen im gesamten Gastrointestinaltrakt oder
- Ein oder weniger als fünf juvenile Polypen in Kombination mit einem weiteren betroffenen Familienmitglied
Genetik
In ca. 50 % der Fälle lässt sich derzeit eine krankheitsverursachende genetische Veränderung nachweisen. Bei den meisten Patienten finden sich Mutationen entweder im Gen SMAD4 (20 %) oder im Gen BMPR1A (20 %).
SMAD4 gehört zum TGFß-Signalweg, BMPR1A gehört zum BMP-Signalweg, der dem TGFß-Signalweg sehr homolog ist. In seltenen Fällen finden sich Mutationen im Gen ENG (Endoglin), das ebenfalls zum TGFß-Signalweg gehört und normalerweise beim Morbus Osler (HHT) Keimbahnmutationen zeigt (Morbus Osler).
Gegenüber JPS-Patienten mit BMPR1A-Mutationen oder Patienten ohne nachweisbare Mutation zeigen Patienten mit SMAD4-Mutationen eine höhere Anzahl von juvenilen Polypen und über eine adenomatöse Transformation ein erhöhtes Tumorrisiko. Insbesondere ist hier der obere Gastrointestinaltrakt deutlich beteiligt.
Ausführliche Information
Beim autosomal-dominant vererbten juvenilen Polyposis-Syndrom (JPS) liegen histologisch juvenile Polypen (JP) des Dickdarms, seltener des Magens und des Dünndarms vor. Aufgrund der labilen Struktur der Polypen kann es zu chronischen gastrointestinalen Blutungen mit konsekutiver Anämie kommen, die im Kindesalter ggf. in einer Hypoproteinämie mit Gedeihstörung resultiert. Die Mehrzahl der Patienten wird bis zum 20. LJ symptomatisch [1], die Inzidenz wird auf ca. 1:100.000 geschätzt [2].
Ursächlich sind zu gleichen Teilen Sequenzvarianten in BMPR1A und SMAD4, ca. 50% sind Neumutationen [3]. BMPR1A ist ein Rezeptor an Zelloberflächen, zu den Liganden zählen unter anderem BMP und TGF-β. SMAD4 ist intrazellulär an der TGF-β-assoziierten Signalvermittlung beteiligt.
Die intrafamiliäre Variabilität des JPS ist hoch. Das LZR für Kolonkarzinome wird mit ca. 40% und ca. 20% für Magenkarzinome(insbesondere dann, wenn bereits Polypen des Magens vorhanden sind) angegeben, Pankreas- und Dünndarmkarzinome scheinen sehr selten vorzukommen.
Pathogene Varianten in SMAD4 sind mit einem höheren Risiko für Polypen des oberen Gastrointestinaltraktes (und damit einem höheren Risiko für Magenkarzinome) sowie ggf. einer hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie (HHT/M. Osler) assoziiert, v. a. bei pathogenen Varianten in Exon 8–11 [4]. Hierbei liegen krankhafte Gefäßerweiterungen vor, die sich oft bereits im Kindesalter klinisch durch mukokutane Teleangiektasien, Nasenbluten und arteriovenöse Malformationen (AVM) in inneren Organen (v. a. Leber, Lunge, Gehirn, Darm) mit den entsprechenden Komplikationen zeigen [4]. Eine spezifische Veränderung inSMAD4 wurde auch als ursächlich für das Myhre-Syndrom (Kleinwuchs und Aortendilatation) beschrieben [5]. Patienten mit einer Mikrodeletion 10q22-q23, die u. a. das BMPR1A- und PTEN-Gen enthält, können zusätzlich PTEN-assoziierte Symptome und einen sehr frühmanifesten Beginn der Symptomatik aufweisen.
Klinisch ist für die Diagnosestellung das Vorliegen mehrerer JP wegweisend (mehr als 5 JP im Kolorektum und/oder multiple JP im gesamten Gastrointestinaltrakt und/oder 1 JP bei positiver FA). Entscheidend für die Diagnose ist somit die korrekte histologische Beurteilung der Polypen.
Entsprechend angloamerikanischer Leitlinien wird etwa ab dem 15. LJ (bei Symptomen ggf. früher) eine Koloskopie und Ösophagogastroduodenoskopie empfohlen, die bei Polypennachweis jährlich, ansonsten alle 2–3 Jahre wiederholt werden sollte [6]. Bei massiver Polyposis sind ggf. chirurgische Maßnahmen nötig. Patienten mit einer SMAD4-Mutation benötigen zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen bezüglich der klinischen Manifestationen einer HHT und Aortopathie [7].
Quellen:
[1] Manfredi M (2010) Hereditary Hamartomatous Polyposis Syndromes. Gastroenterol Hepatol 6:185–196
[2] Latchford AR,Neale K, Phillips RKS, Clark SK (2012) Juvenile polyposis syndrome: a study of genotype, phenotype, and long-term outcome. Dis Colon Rectum 55:1038–1043. https://doi.org/10.1097/DCR.0b013e31826278b3
[3] Aretz S, Stienen D, Uhlhaas S et al (2007) High proportion of large genomic deletions and a genotype phenotype update in 80 unrelated families with juvenile polyposis syndrome. J Med Genet 44:702–709. https://doi.org/10.1136/jmg.2007.052506
[4] Gallione CJ, Richards JA, Letteboer TGW et al (2006) SMAD4mutations foundin unselected HHT patients. JMedGenet43:793797. https://doi.org/10.1136/jmg.2006.041517
[5] Le Goff C, Mahaut C, Abhyankar A et al (2011) Mutations at a single codon in mad homology 2 domain of SMAD4 cause Myhre syndrome. Nat Genet44:85–88. https://doi.org/10.1038/ng.1016
[6] National Comprehensive Cancer Network (2017) Genetic/Familial High-Risk Assessment: Colorectal (Version 1.2017).
https://www.nccn.org/professionals/physician_gls/pdf/genetics_colon.pdf. Zugegriffen: 14. Juli2017
[7] Wain KE, Ellingson MS, McDonald J et al (2014) Appreciating the broad clinical features of SMAD4 mutation carriers: a multicenter chart review. Genet Med 16:588–593. https://doi.org/10.1038/gim.2014.5